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Wütende Zeitgenossen

Über den Umgang mit Wut. Oder: Wenn ein Sturmtief durch das Büro zieht

Du willst ein Gespräch führen und findest dich unerwartet im Sturmtief wieder? Genauer gesagt: Du wirst vom Wut-Tornado Deines Gegenübers erfasst. Er überrumpelt Dich. Und nun bist Du selbst wütend, gekränkt und verunsichert. Was tun? Denn so eine Situation möchtest Du nicht wieder erleben. Außerdem musst Du nun erstmal die Sturmschäden beseitigen. Lies hier, wie Du mit wütenden Zeitgenossen umgehst.

Genau dies ist Katarina passiert – einer unserer Klientinnen, die „nur“ ein Routinegespräch mit Ihrem Chef führen wollte. 

Jetzt ist sie sehr aufgebracht. Sie wollte ihrem Chef ein Routine-Update zum Projekt geben. Als Leiterin der internen Kommunikation ist sie verantwortlich für die Einführung des neuen Intranets. Mit der Agentur arbeitet sie gern zusammen und gemeinsam liegen sie gut im Zeitplan. 

Doch dann das: Kaum haben sie ein paar Worte gewechselt, legt er los. Er schimpft über die Agentur wirft ihr vor, diese nicht im Griff zu haben. Außerdem seien die Inhalte so nicht abgesprochen, sie agiere über ihre Kompetenzen hinaus. Das habe er nicht von ihr erwartet. 

Katarina fühlt sich wie gelähmt. Erstarrt. Sie ist noch nicht lange im Unternehmen, und so hat sie ihren Chef noch nie erlebt!

In einem Punkt hat er recht: Es läuft nicht immer ganz glatt im Prozess, aber sie hält alle Beteiligten stets auf dem Laufenden und zu den Inhalten gab es bislang keine Einwände. Sie versucht Ihrem aufbrausenden Chef gegenüber die Faktenlage darzustellen. 

Nach weiteren unerfreulichen Minuten schickt er sie aus seinem Büro. Wie soll sie in der Zukunft mit der Wut ihres Chefs umgehen?

Wenn die Wut kommt. Oder: Das Gewitter braut sich zusammen.

Was ist passiert? Was in Katarinas Chef vorging, können wir allenfalls erahnen. Was wir sicher wissen, ist, dass seine Wut geballte Energie ist. Diese entlädt sich über Katarina, die gar nichts für diese Wut kann. 

Dennoch löst sie den Ausbruch durch ihr Verhalten aus. Sie ist es, die das Fass zum Überlaufen bringt. Dafür ist, wie wir sehen, oftmals nur ein Tropfen notwendig. 

Ruhig bleiben: Wut keinesfalls mit Wut kontern. 

Gerät ein Mensch in Wut, setzt sein Verstand aus. Er ist im Notprogramm., er „rastet aus“. In diesem Moment duldet seine Wut keine Gegenwehr, denn das macht sie nur noch größer.

Wie Du mit der Wut Deines Gegenübers umgehst? Auch wenn es Dir schwerfällt: Auf die Beschimpfungen und Beleidigungen des Gegenübers mit Wut zu reagieren ist kontraproduktiv! Ebenso wenig ratsam ist, in den Verteidigungsmodus zu gehen. 

Hast Du einen Fehler gemacht, gibt ihn unumwunden zu – ohne Ausflüchte, Rechtfertigungen und langen Ausführungen. 

Danach ist es an der Zeit, Deinen persönlichen „Blitzableiter“ auszufahren. Lass den Ausbruch über Dich ergehen. Schweige ihn nieder. 

Bleibe präsent und achte darauf, was passiert.

Statt auf Deine Worte kannst Du Deine Konzentration jetzt auf Deine Wahrnehmung lenken. Bleibe präsent und beobachte Dein Gegenüber aufmerksam. Dabei ist Deine Körperhaltung aufrecht und dem Gesprächspartner zugewandt. 

Wenn es Dir gelingt, kannst Du aussprechen, was Du beobachtest: „Sie sind laut“ oder „Sie sind sehr wütend“. Damit hältst Du Deinem Gegenüber den Spiegel vor. Achte aber bitte darauf, dass Du Dich kurz und knapp hältst und nicht bewertest. Wenig sinnvoll ist auch, eine Reaktion provozieren zu wollen. Denn Dein Gesprächspartner ist im Tunnel. Zum kritischen Überdenken seines Verhaltens ist er im Moment nicht in der Lage. 

Wie Du Grenzen setzt und sie wahrst. Oder: Wie Du vor dem Sturm Schutz findest.

Wer wütend ist, hat die Kontrolle über die Situation abgegeben. Er ist einzig darauf fokussiert, seine Wut rauszulassen. Deinem schweigsamen Beobachten gewährst Du Deinem Gegenüber den dringend benötigten Freiraum.

Höre aber gut auf Deine innere Stimme. Wenn sie sagt „Jetzt reicht’s!“ – ist es an der Zeit, einzuschreiten. Es gibt kein klares Regelwerk, wann der Zeitpunkt gekommen ist. Es liegt an Dir, Deine Grenzen zu erkennen und sie zu wahren. 

Jetzt verschaffe Dir wieder Respekt: Sammle Dich und sage mit fester Stimme: „Sie haben mich eben beleidigt.“ Erste Hürde geschafft! Jetzt hast Du Dir Handlungsoptionen erarbeitet.

Eine Brücke bauen. Oder: Das Wetter beobachten. 

Während des „Gesprächs“ hast Du verschiedene Optionen: 

Entweder Du baust Deinem Gegenüber eine Brücke und erklärst, dass Du seine Aufregung verstehst. Dass Du Dich aber deswegen nicht beleidigen lässt. Hast Du damit Erfolg: Glückwunsch! Das Unwetter ist vorübergezogen und ihr könnt sachlich und lösungsorientiert weiterarbeiten. 

Aber leider funktioniert das nicht immer so glatt. Es kann sein, dass auf diesen Einwand eine weitere Salve schlechten Benehmens folgt. Warte ab, wie es sich weiterentwickelt. In schweren Fällen der persönlichen Grenzüberschreitung ist der Abbruch des Gesprächs angezeigt. 

„Ich bin nicht bereit, dieses Gespräch mit Ihnen hier fortzusetzen“. Dann verlasse den Raum – ohne zu zögern. 

Mit dem Angebot „Sie können mich jederzeit anrufen, wenn Sie sachlich über das Thema reden wollen“, hältst Du Dir elegant das Hintertürchen offen. 

Und nach dem Unwetter? Sturmschäden beseitigen. 

Wenn die Gemüter wieder auf Normaltemperatur sind, lohnt es sich, die Situation nachzubereiten. Wäge zunächst ab, wie wichtig die Sache für Dich ist. Dann gehe in die Analyse des Vorgefallenen: 

  • Hast Du einen Fehler gemacht – dann solltest Du in jedem Fall handeln. „Ich überarbeite die Präsentation und verbessere die Zahlendreher“, so oder so ähnlich könnte Deine Aussage lauten. 
  • Bist Du einmalig Opfer der miserablen Laune Deines Gegenübers geworden, so kannst Du später sachlich ansprechen, dass Du sehr überrascht warst. Bitte dann um Klärung oder auch um eine Entschuldigung. 
  • Ist Dein Gegenüber ein Choleriker, so wirst Du mit seinen Rumpelstilzchen-Allüren leben müssen. Dann überprüfe kritisch, ob und wie Du mit den Tobsuchtsanfällen leben kannst. Auch hier gilt es, Deine persönlichen Grenzen zu setzen. So viel ist sicher: Du kannst andere Menschen nicht ändern. In einem solchen Fall kannst Du vorsichtig bei Deinen Kollegen anfragen, wie sie damit umgehen. Grundsätzlich aber gilt. Eine Atmosphäre, die von Angst und Druck geprägt ist, macht auf Dauer krank. Dann lohnt es sich, über einen Jobwechsel nachzudenken. 

Und Katarina? 
Sie hat eine Nacht über den Vorfall geschlafen und hat am nächsten Tag das Gespräch mit ihrem Chef gesucht. Seine Laune hat sich deutlich gebessert und sie haben sich sachlich über seine Vorbehalte ausgetauscht. 

Das Gespräch nahm einen konstruktiven Verlauf, weil sie sich klar positioniert hat: Für sachliche Kritik ist sie offen, für konstruktive Lösungsvorschläge auch. Persönliche Beleidigungen haben in solchen Gesprächen nichts zu suchen. 

Mit dieser Haltung hat sie herausgefunden, was ihn so auf die Palme bringt: Er schätzt stichpunktartige Lageberichte und sie ist eine umschreibende Vielrednerin. Das nächste Mal wird sie nachfragen, ob der Chef Zeit hat und offen ist für das Gespräch und fasst sich kurz. 

Zusammenfassung: Umgang mit Wut

Was also tun in dem Moment, in dem ein wütender Zeitgenossen schreit und brüllt und sich in Anschuldigungen ergeht. 

Regel #1: Lass Dich auf gar keinen Fall auf die Wut ein! Es ist das Gefühl Deines Gegenübers. Bleib standhaft und lass Dich von seinen Gefühlen nicht anstecken. 

Regel #2: Schweige während des Wutanfalls Deines Gegenübers. Deine Worte wirken wie Öl auf dem Feuern. Hast Du einen Fehler gemacht, gebe ihn unumwunden zu. Ohne Ausflüchte, ohne Rechtfertigungen.

Regel #3: Bleibe präsent und achtsam für das, was Du siehst und hörst. Wenn möglich, halte dem Gegenüber den Spiegel in knappen Worten vor: „Sie sind sehr wütend“. „Sie sind sehr laut“.

Regel #4: Würdigen, würdigen, würdigen: Auch wenn Du nicht genau weißt, was die Wut ausgelöst hast, kannst Du würdigen, dass es einen Grund gibt für den Energieausbruch des Gegenübers.

Regel #5: Höre auf Dein Bauchgefühl. Sagt es „Jetzt reicht es“ ist eine Grenze überschritten. Dann brich das Gespräch ab. Der Hinweis, dass Du an einem sachlichen Austausch interessiert bist, bietet Deinem Gegenüber ein Hintertürchen.

Regel #6: Bereite das „Gespräch“ nach. Hast Du einen Fehler gemacht, behebe ihn. Ist der Wutausbruch einmalig, kannst Du ihn ignorieren. Ist Dein Gegenüber ein Choleriker, überlege Dir, ob und wie Du in Zukunft mit solchen Ausbrüchen umgehen möchtest.

Du willst mehr über gute Gesprächsführung wissen? Dann lies hier mehr in unseren 10 goldenen Regeln für gelungene Gespräche.